Zimmer von Eva Gallaway

Die Gänge durch die sie geführt wurde, waren nicht unbedingt die beste Location um sie vom Bleiben zu überzeugen. Der Geruch nach Sterilität wurde mit jedem Schritt immer schlimmer. Eva versuchte nur noch durch den Mund zu atmen, aber dabei legte sich ein abartiger Geschmack auf ihre Zunge. So oder so war es schlimm.
Die Führung bekam sie nicht mit. Hier und da fing sie ein paar Wörter auf die eine gelangweilte, ruhige Stimme hinter ihr aufzählte. Waschräume, Versammlungsraum, Weckzeiten...
So ganz konnte sie der Frau nicht folgen. Erst als sie einen letzten Gang entlang gingen und vor einer Tür stehen blieben. Ungefähr auf Augenhöhe war ein kleines Fenster in die Tür eingelassen. Perfektes Guckloch. Privatsphäre adios.
"Das ist dein Zimmer Janice. Hier wirst du ab heute wohnen", erklärte die Frau ihr und öffnete mit einem von tausenden Schlüssel an ihrem klimpernden Bund die Tür zu ihrem unprivaten Reich.
"Eva", antwortete sie nur. Sie war es leid. Eva nicht Janice. Eva nicht Janice. Nicht Janice verflucht nochmal.
Samt Tasche wurde sie in das kleine Zimmer geschoben. Sie sollte sich erstmal einleben und ausruhen. Das waren die letzten Worte bevor man sie alleine lies.
Einleben. Natürlich. Schöne Wortwahl für durchdrehen.
Eva warf ihre Reisetasche auf das schmale Bett in der Ecke. Nach dem Packen, hatte sie sich um fast die Hälfte reduziert. Selbstverständlich wurde ihre Tasche durchsucht, nach Dingen mit denen sie sich selbst etwas antun konnte oder eine Wasserstoffperoxidbombe bauen konnte.
Bis auf ein paar Kleidungsstücke durfte sie gerade mal 5 Bücher mitnehmen, aber erst nachdem festgestellt wurde, ob sie nicht eine Klinge darin versteckt hatte.
Sie wollte gerade nicht auspacken und sich 'einleben'. Erstmal wollte sie gar nichts machen. Evas Blick glitt durch den spärlich eingerichteten Raum. Neben dem Bett stand ein kleines Nachtschränkchen mit einer bräunlichen Lampe darauf. Fast schon retro.
In einer anderen Ecke versperrte ein Holztisch den Weg. Ein einziger Stuhl wurde darunter geschoben. Ne zwei machten ja auch keinen Sinn. Soviel besuch wie sie bekommen würde.
Ein Schrank zierte die Ecke genau gegenüber ihres Bettes. Er war schmal aber die so viele Sachen hatte sie ja nun auch nicht bei. Wenigstens hatte sie einen Schrank. Wow.
Ahh...ein Waschbecken. Was ein Luxus.
Wenigstens keine Gummizelle...wenigstens das nicht...

Warum die geschlossene Station? Das verstand sie immer noch nicht richtig. Vielleicht war sie krank aber vielleicht war sie es auch nicht. Ja sie war depressiv und ja vielleicht hatte sie sich schon einige Male selbst verletzt. Aber das war doch mittlerweile fast schon Mode geworden. Jeder der meinte ein wenig traurig zu sein ritze sich die Handgelenke auf. Keine Chance für die die es Krankhaft tun. Mode nichts weiter. Eva strich sich mit den Fingerspitzen über die Stirn. Irgendwie pochte ihr Hirn dahinter. Noch ein wenig stärker und sie würde sich noch übergeben müssen. Langsam lehnte sie sich nach hinten auf das harte Bett zurück und schloss ihre Augen. Selbst so konnte sie noch das leichte Flackern, der Lampe sehen. Einatmen, ausatmen. Das passierte immer wieder wenn sie nachdachte. Meistens wenn sie DARÜBER nachdachte. Ihr Kopf dröhnte. Immer wieder fuhr sie Mit ihrer Handfläche über ihre schmerzende Stirn. Es dauerte eine ganze Zeit bis der Druck nachließ und sie sich wieder aufrichten konnte. Das Licht war anders. Es war etwas dunkler und das Deckenlicht stach noch mehr hervor. Hatte sie geschlafen? War sie wirklich eingeschlafen? Langsam schwang sie ihre Beine über den Rand ihres Bettes und schaute zu dem vergitterten Fenster. Tatsache. Es war bereits dunkel draußen. Man hatte sie schlafen lassen. Jedenfalls waren ihre Kopfschmerzen wieder weg.
Seufzend beugte Eva sich über ihre Tasche und holte ihre Bücher heraus und legte sie auf den kleinen Nachttisch neben sich. Die würde sie in zwei Tagen bereits durchgelesen haben. Hoffentlich hatten sie hier auch welche.
Ein Geräusch ließ sie hochfahren. Diese Geräusche waren da. Sie waren wirklich da. Aber das waren die anderen auch immer gewesen. Sie kamen vom Gang. Draußen hörte sie Schritte. Die Schritte waren schon wieder da. Warum kamen sie ihr Hinterher? Im Krankenhaus waren sie auch immer da gewesen. Eva hielt sich die Ohren zu und atmete extra etwas lauter, damit sie die Schritte übertönte. Erst als sie sich sicher war, dass sie wirklich weg waren nahm sie ihre Hände wieder runter. Ruhe. Jetzt war es wieder ruhig. Sie stand auf und ging zu ihrer Tür rüber. Ob sie abgeschlossen war? Würde man sie wirklich einsperren hier drin? Kein Wunder, dass man verrückt wurde wenn man hier drin saß. Mit geschürzten Lippen streckte Eva ihre Hand nach dem Türknauf aus und drückte. Sie gab nach. Man hatte sie nicht eingesperrt. Noch nicht eingesperrt. Na wenigstens etwas. Sie steckte den Kopf vorsichtig hinaus und zog ihn dann aber auch sofort wieder zurück. Gerade eben noch hatte sie gesehen wie sich dort an der Ecke etwas bewegte. Sie schlug die Tür wieder zu und ging einen Schritt zurück nach hinten. Eins war absolut sicher. Hier wollte sie garantiert nicht lange sein.